Im Februar berichtete ich hier von einem Seminar zu autobiografischem bzw. autofiktionalem Schreiben bei Annette Pehnt. Für den heutigen Eintrag habe ich einen weiteren Text herausgesucht, den ich dort schrieb – inspiriert übrigens von Barbara Köhlers Gedicht „Sonntagskind“ – und der sich mit einer konkreten Erinnerung beschäftigt. Als ich ihn nun mit dem Abstand von zwei, drei Monaten noch einmal las und überarbeitete, war mir das Eingangsbild wieder sehr präsent.

Ich schätze am Schreiben solcher „Vignetten“ mit einem konkreten Thema, dass ich mich für einige Momente vertiefen kann, auch nur Bruchstücke aufgreifen kann, um daraus ein neues Mosaik zu kreieren. Ich kann Vergangenes betrachten und Einzelnes davon erzählen, ohne viele Worte zu machen. Kann vieles anklingen und Bilder sprechen lassen. Manchmal reicht ja ein einziges Wort, um eine Erinnerungsflut in Gang zu setzen. Vielleicht weckt der heutige poetische Text auch bei Ihnen Erinnerungen oder Sie bekommen Lust auf ein besonderes Geschmackserlebnis. So liegen Vergangenes und Gegenwärtiges oft nah beieinander.

Alternativer Bildtex

Mutterbuttercreme.

Mutterbuttercreme

Mutter
die große Emailleschüssel zwischen die Oberschenkel geklemmt
schlägt mit dem Holzkochlöffel die Butter schaumig
Frankfurter Kranz ihr bester Kuchen
zu jeder Feier

Mutter/Butter/creme
seit ihrem Tod kein Stück mehr
Familie nur noch auf Beerdigungen
da ist der Kuchen staubig
und zäh wie die Erde im Grab

Butter Mutter Futter für die Seele
das Fettige, das Süße
mit Sahne geht’s leichter runter
traurige Löcher stopfen
mit Gebäck aus guter Butter Mutter

Das Darben die Sehnsucht
die Fülle der Feste
Nachkriegswohlstandsbuttercremetorten
nie wieder Rübenkraut
sagt der Vater

Heute am besten vegan
von wegen gute Butter Mutter
du bist ja auch nicht mehr da
kannst die Butter Mutter
nicht mehr schaumig schlagen