Durch den Warnstreik des RVM bekam ich diese Woche unerwartet Zeit geschenkt, weil ich – ohne Bus – einen Auswärtstermin nicht wahrnehmen konnte. So hatte ich Muße, auf den Wochenmarkt zu gehen und erste Frühlingsboten in Form von Tulpen und Hyazinthen zu kaufen.

Zeit kann wirklich ein Geschenk sein, ein Geschenk, das wir uns auch selbst machen können, immer wenn wir innehalten. Ich nehme gerade an einem Achtsamkeitskurs teil (Mindfulness-based Stress Reduction, MBSR, was vielen sicherlich ein Begriff ist, Jon Kabat-Zinn und so), und da geht es viel darum, aus dem ewigen Gedankenkarussell auszusteigen, zumindest für einen Moment, um ganz im viel beschworenen Hier und Jetzt zu sein. Zum Teil empfinde ich das als richtig schwierig und auch anstrengend, mir immer wieder bewusst zu werden, wo mein Geist gerade herumschwirrt (Vergangenheit, Zukunft …), und mich dann möglichst „freundlich, entschieden und geduldig“ wieder zum Atem zurückzuholen. Mein Körper als „Achtsamkeitsinstrument“. Viele interessante Dinge erfahre ich da in diesem Acht-Wochen-Kurs und bedaure, dass er schon dem Ende zugeht.

Neulich fühlte ich mich auch im Schreiben ganz im gegenwärtigen Augenblick, die Sonne schien so schön durchs Fenster und ich hatte den Impuls, einfach nur aufzuschreiben, was ich sehe und empfinde (das ist unten zu lesen). Oft beginne ich mein Schreiben so, dass ich erst mal notiere, welcher Tag es ist und welche Uhrzeit, wo ich bin, was ich sehe. Ich ver_orte mich in Raum und Zeit sozusagen, nehme einen Platz ein, von dem aus ich gedanklich weitergehen kann.
Die Tätigkeit des Schreibens mit der Hand kann eine wunderbar achtsame Übung sein, sicherlich vor allem auch das kalligrafische Schreiben, weil es meist in Ruhe geschieht und eine gewisse Konzentration erfordert. Der (freien) Kalligrafie habe ich mich schon länger nicht mehr gewidmet – so viele interessante Dinge gäbe es zu tun! Und schon purzeln die Gedanken und Ideen wieder wild durcheinander, alle wollen ganz unbedingt beachtet werden. Puh, da versuchen wir, entspannt zu bleiben und erst mal zu atmen: ein und aus und ein und …

Alternativer Bildtex

Pünktchen und Blättchen und Pünktchen und Blättchen …

Still_leben

Die Morgensonne fällt durch die Ritzen des Rollos
ohne Brille ist da eine schöne Verschwommenheit
in der du dich aufhältst für einen Moment um
nicht klar sehen zu müssen

Die 60er-Jahre-Schreibmaschine mit den blaugrünen Hochstelltasten
das schwarze Bakelittelefon
die pastellige Lithografie auf dem Sideboard
daneben ein einfaches Wasserglas mit rosa-weißen Rosen

Ein Stillleben, das dir tatsächlich Stille vermittelt
deinen grübelnden Geist beruhigt beim Anblick
dieses unbewegten So-Seins

Du wirst noch ein wenig verweilen in der
Verschwommenheit des Moments und
die Schatten beim Weiterziehen beobachten

Es gibt nichts zu tun und nichts zu erreichen –
so heißt es in der Meditation