Langsam, aber ganz sicher hält die künstliche Intelligenz (KI) auch Einzug in den Bereich, in dem ich mein Geld verdiene: das Lektorat und das Korrektorat. Es ist verblüffend, mit welcher Geschwindigkeit sie Sätze von sich gibt, (vermeintliche) Fehler anzeigt und sich Unsinnigkeiten ausdenkt, wenn ihr die Informationen fehlen. Sie kann nicht schweigen, wenn sie gefragt wird, sie muss sofort antworten um jeden Preis, auch wenn sie dazu „halluzinieren“ muss, wie es heißt.

Und dann schaue ich mich an: Es gibt Tage, da mögen die Wörter aus mir herausfließen, Wohlklänge und Wendungen, die mich überraschen. Und dann gibt es Tage, da will nichts fließen, ich fühle mich „verstopft“ im Gehirn und in der Intuition, in der Imagination – oder woher immer die Wörter kommen. Ist da zu viel oder ist da womöglich gähnende Leere? Dann gehe ich spazieren oder schüttle mich mal durch, besuche ein Café, ein Museum oder einen anderen Menschen. Damit öffne ich mich, trete aus der Stagnation heraus und gucke mal, was mir so begegnet. Irgendwann ist es dann wieder so weit: Ich schreibe ein Wort aufs weiße Blatt und ein weiteres gesellt sich dazu und noch eines. Eine KI wird jetzt in Windeseile Wahrscheinlichkeiten errechnen, welches Wort das nächste ist, doch ich – mit meiner natürlichen Intelligenz – setze schwarz auf weiß nach und nach Buchstaben für Buchstaben, lasse den Cursor blinken oder den Stift in der Luft innehalten bis zum nächsten Impuls. Ich bin eindeutig langsamer als die KI, stehe zwischendurch auf und koche mir einen Tee, seufze, esse einen Keks und bitte die Göttin der Wörter, mir doch noch ein paar zu schicken, damit es weitergeht.

Warum lasse ich nicht die KI für mich fantasieren?
Weil ich dann nicht dieses schöne Gefühl des Schöpferischen haben könnte, diese Neugier während des Entstehungsprozesses – wohin führt mich mein Text, wohin mein Bild? Mit der KI zu arbeiten, ist vor allem die Erwartung von schnellen Ergebnissen – kreativ zu schreiben oder zu zeichnen, zu malen, zu collagieren, ist die Lust am Tun, die Lust am Experimentieren und auch die „Lust“ am Umgang mit der eigenen Unzufriedenheit, wenn etwas nicht (gleich) gelingen will. Schauen, warten, probieren, liegen lassen, wieder aufgreifen, in mir arbeiten lassen, während ich etwas anderes tue oder gar nichts – der kreative Prozess ist so vielfältig, auch wenn nach außen hin kaum etwas passieren mag. Das möchte ich mir bewahren und noch mehr kultivieren.

PS: Die KI ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Und noch wird behauptet, sie könne die menschliche Kreativität nicht ersetzen. Da schau’n wir mal und lieben unser gestalterisches Tun umso mehr!

Alternativer Bildtex

Just do it!

Dichten
ist das
die Fantasie anstrengen
sich bemühen um besondere Bilder
oder ist das
am Morgen aus dem Fenster schauen
und beim Vogelflug denken:
Nehmt mich mit?