Haben Sie einen Wunsch, eine Sehnsucht, von der Sie wissen, dass sie sich (sehr vermutlich) nie erfüllen wird, was Sie jedoch als gar nicht so schlimm empfinden? Vielleicht eine Reise zum Kilimandscharo, die Sie sich finanziell gar nicht leisten können? Oder einen Fallschirmsprung, den Sie sich aber niemals trauen würden – nur mal so, ohne was, in der hohen Luft sein, die Arme ausbreiten und sich sagen: Ich bin hier und die Welt ist dort?
Ich habe auch so eine Sehnsucht, von der ich in meinem heutigen Text berichte. Eigentlich banal, möchte man meinen, sich nach einem Garten zu sehnen. Doch sehr wahrscheinlich geht die Sehnsucht über den reinen Ort hinaus. Dieser Ort ist mehr ein Synonym für etwas anderes, für Friedlichkeit zum Beispiel, für Geborgenheit, für Ent-Spannung – so wie der Kilimandscharo ein Bild sein mag für die Sehnsucht, endlich angekommen zu sein nach großen Strapazen, oder der Fallschirmsprung eine Metapher für das freie Sein im Element Luft, um danach neu anzufangen.
Unsere Vorstellungskraft ist etwas sehr Besonderes. Wir können sie einsetzen, um uns das Schlimmste vom Schlimmen vorzustellen – was in diesen Zeiten nicht sehr schwer ist –, aber sie ist auch eine faszinierende Möglichkeit, uns etwas Wunderbares in allen Einzelheiten auszumalen. Und wenn wir tief eintauchen in diese imaginierten Bilder, ist es so, als wären sie real und wir mittendrin.
Für mich ist das Schreiben eine gute Art des Eintauchens. Es gelingt nicht immer, aber wenn es gelingt, ist es eine besondere Erfahrung des Zusammenspiels von Schrift/Schreiben und Imagination – und macht richtig zufrieden!
Ans Licht.
Ich habe keinen Garten
Ein ruhiger Samstagmorgen. Regenschauer und Schwüle sind einer angenehmen Frische gewichen, der Himmel ist wieder blau. Ein Wind weht.
Wenn ich einen Garten hätte, träte ich nun mit einer Tasse Tee hinein und suchte mir einen Schreibplatz aus, der meiner Stimmung und dem Sonnenstand entspräche. Ich legte mein Notizbuch auf dem Tisch ab und wandelte mit der Teetasse in der Hand erst einmal die Wege entlang, betrachtete, was blühte, was Knospen trüge, zupfte hier und da Vertrocknetes ab und spürte die Ruhe, die von dem Wachsen und Gedeihen und Da-Sein ausginge. Die getigerte Nachbarskatze begleitete mich eine Zeit lang in ihrem gemächlichen stillen Schreiten, ich streichelte sie und lauschte ihrem Schnurren, das die Ruhe mit einer sanften Melodie unterlegte. Ich zöge das weiche (je nach Jahreszeit Baum-)Wolltuch etwas enger um mich und spürte seine Wärme im frischen Wind, das Atmen fiele mir leicht und ich hielte mein Gesicht in die helle frühe Sonne, schlösse die Augen und ließe mich entführen für einen Moment in die weite Lichtlandschaft hinter meinen Lidern.
Sodann setzte ich mich an meinen geliebten Schreibplatz, öffnete die Kladde, griffe nach meinem Stift und schriebe ein erstes Wort, das mir gerade in den Sinn gekommen wäre, und ein zweites und es flösse in einfacher Weise aus mir heraus, als hätten die Worte nur darauf gewartet, sich endlich zu offenbaren, sich zu zeigen, ins Leben zu kommen. Ich wäre also eine Art Wortgeburtshelferin, und es gefiele mir.
All das täte ich und geschähe mir, wenn ich einen Garten hätte, in den ich gegangen wäre an einem ruhigen Samstagmorgen bei angenehmer Frische, Wind und Sonne.
Ich habe keinen Garten und war doch schreibend dort. Jederzeit kann ich ihn betreten und Ruhe finden zwischen Calendula und Echinacea, Lavendel und Tagetes. Ich muss ihn nicht mal gießen …