Ein mausgrauer Morgen Ende Mai. Gegenüber wird das Dach neu gedeckt, aber jetzt ist gerade mal Pause, denn die Arbeiter haben Schutz gesucht vor dem Regen. Und die grüne Folie ist ja schon drauf, also keine Angst, dass es reinregnet in den Dachboden, den ich mir dreckig vorstelle, Taubenkot überall. Damit ist jetzt Schluss, es wird keine Dachluken mehr geben und die Tauben müssen draußen bleiben, sich nass regnen lassen, sich andere Unterschlupfe suchen, falls sie welche brauchen. Da höre ich schon wieder den Gabelstapler dröhnen und die Männer rufen. Es ist immer besser, wach zu sein, bevor der Lärm losgeht, das gibt ein Gefühl von Kontrolle. Ich bin auch jedes Mal froh, wenn ich wach bin, bevor der Nachbarshund anfängt zu kläffen ganz unvermittelt. Mitten in der Stadt glaubt er, ein eingezäuntes Miniaturrevier verteidigen zu müssen.
Ich möchte mich kurzfassen heute und habe nur ein kleines Haiku ausgesucht, das von etwas handelt, was in der Stadt nur noch selten draußen zu sehen ist – die Wäscheleine. Viel zu klein sind die „Miniaturreviere“, die Gärten geworden, wenn es sie überhaupt noch gibt. Dabei ist frisch gewaschene und sonnengetrocknete Wäsche doch etwas Herrliches! Die kleinen Dinge des Alltags – manchmal tut es gut, sich auf sie zu konzentrieren und sie vielleicht mit einem Haiku zu würdigen. Es gibt so vieles um uns herum, was wir kaum noch wahrnehmen, weil es eben „immer“ da ist. Vielleicht haben Sie Lust, heute einmal einen Ihrer Gegenstände in die Hand zu nehmen und sich zu überlegen, was er Ihnen wirklich bedeutet. Und wenn Sie dazu etwas schreiben möchten, könnten Sie beginnen mit: „Du bist wertvoll für mich, weil …“. Möglicherweise fällt Ihnen nach dem Gegenstand dann auch noch ein Mensch ein, der Ihnen wertvoll ist, weil …
Keep it simple.
Wäscheleine blau
Klammern schaukeln arbeitslos
Strich in der Landschaft