Dezember – ein Monat voller Emotionen und freudiger Erwartungen und Trubel: Dinge abschließen, schon Gedanken aufs Neue verwenden hin und wieder, das Grau ertragen und sich an Lichterketten entlanghangeln, Feiertagspläne schmieden, wer mit wem wann und wo – und was gibt’s zu essen?

Die Hälfte des Monats war ich mit einer Erkältung mehr oder weniger aus dem Verkehr gezogen und die Sehnsucht nach Ruhe und Pause und Schluss mit Terminkalender war und ist groß.
Ich erfuhr in diesen Wochen von sterbenskranken und verstorbenen Müttern, von Liebe und großen Reisen. Erfuhr auch von kleinen Dingen und den glänzenden Kinderaugen zu Nikolaus. Erfuhr von Hauseinbrüchen und dass die silbrig blauen Eukalyptusknospen, die ich mir so nett in der Vase vorstellte, doch einen für mich zu unangenehmen Duft erzeugen (sie müssen nun leider draußen bleiben). Die Vielfalt des Lebens also zwischen verstopfter Nase und der täglichen Sehnsucht nach mehr Licht.

In einem geschenkten Adventsbüchlein erhielt ich die Schreibanregung, zu einem Verb aus einem bestimmten Text zu schreiben. Und ich schaute, welche „Tuwörter“ gibt es denn da, und wählte das, das mich am meisten ansprach: „spüren“. Mit einem ü wie in „süß“ oder „Krüsanteme“ (?!) und der Spur, einem Anfang, dem ich folgen kann und der mich irgendwohin führt (mit ü). So habe ich mich also auf die Spur des Spürens gemacht, das Ergebnis ist unten nachzulesen. Und wenn in diesen Tagen so eine innere und äußere Aufruhr herrscht vor lauter Vorbereitungen und Dingen, die vermeintlich schnell noch vor Jahresende getan werden müssen, sind das kurze Innehalten und das Spüren, wie der eigene Atem geht und ob das eigene Herz überhaupt noch schlägt, vielleicht ein guter Ratgeber. Worauf freust du dich? Und da wir sicherlich ganz viel an andere gedacht haben in den letzten Wochen: Womit kannst du dir selbst eine Freude bereiten in diesen Tagen?

Ich wünsche allen meinen Leser*innen eine gute Zeit und melde mich wieder im neuen Jahr.

Alternativer Bildtex

Helldunkelvariation.

Spüren

Spürst du den Winter, grau und nass
spürst du die Nacht, schwarz und kalt
spürst du das Licht, dass wenig besser ist als nichts

Spürst du, wie dein Herz schlägt in tiefer Dunkelheit,
wenn du nicht schlafen kannst,
weil deine Ohren noch zu viel hören
spürst du den Schleim in deiner Kehle,
die letzten Reste deiner Krankheit auf dem Weg zur Genesung

Spürst du die Nacht, die sich auf deine unruhige Haut legt
spürst du das Licht, wie es flackert im letzten Atemhauch eines geliebten Menschen
spürst du die Kälte dann und die Trauertränenhitze

Die Amaryllis auf dem Küchentisch
sie öffnet ihre weißen Kelche in dem mageren Licht und der künstlichen Wärme

Spürst du die Liebe trotz allem