Es ist die Zeit der Große-Pfützen-Tage, an denen es kaum hell und dann auch schon wieder dunkel wird. Dass dieses Jahr in ein paar Wochen zu Ende geht, wird spürbar für mich im Regnerischen und Trüben, in dem Bedürfnis nach Rückzug und warmem Zeug (egal ob Tuch oder Tee, Suppe oder süßliche Sofa-Seifenoper …). Jeder Sonnenstrahl ist ein Highlight im wahrsten Sinne des Wortes und auf einmal wieder sehr kostbar.

Bei einem Schreibseminar neulich hatte ich die Gelegenheit, wieder einmal ganz bewussten Schrittes die Landschaft wahrzunehmen, und ich entdeckte winzige Pilze in der Wiese, herabgefallene Samenkügelchen in der Lindenallee, hörte die Blätter rauschen, die der Herbstwind noch nicht von den Bäumen geweht hatte, und es war einmal wieder Raum um mich, rurale Fläche zum weiten Schauen und Atmen und ich konnte den Gedanken freien Lauf lassen. Irgendwann kam dann der Regen übers Land, vom Wind getrieben, Pfützen bildend – und er war mir recht. Daher handelt mein heutiger lyrischer Text auch vom Regen und seinen wundersamen Wirkungen. Vielleicht können wir ihn so an allzu trüben Tagen einmal mit anderen Augen sehen.

Alternativer Bildtex

Ins Freie. 2023

Rituelle Reinigung

Gewebe, Gespinste
die im Morgenregen
die Mauern hinunterrinnen

In der Nacht verwoben
entsprungen dem Geist und
dem Traum – Innerfetzen
herausgelöst aus einem Tag
der nicht sehr glücklich war

Begossen nun mit Regenwasser
und selig sich auflösend im Rinnen
die Mauern hinunter ins Erdreich
reiche Erde voll von Geweben und
Gespinsten aus Jahrhunderten

Der Regen wäscht an diesem
Morgen die Seelen rein
Keimt da irgendeine Lebenslust?
Lässt sich ein loses Ende greifen für das
Gelingen dieses neuen Tages?

Namenlos die ersten Schritte
stolpernd hinein in den Trommelregen
der eine Melodie spielt
auf deiner nackten Haut
seinem Instrument

Du tönst und du singst
du spürst den Weg der Tropfen
wie sie an dir hinunterrinnen
in die reiche Erde
sie wird reicher durch dich

jeden Tag