Was reizt mich an meinem heutigen poetischen Text, warum habe ich ihn ausgesucht? Ich kreiere beim Schreiben gern surreale Bilder. Denn da kann ich die Welt und mich von jetzt auf gleich in alles Mögliche verwandeln, kann fliegen und in Calendulablüten schlafen – und ich kann die heutige Protagonistin, die Frau im Mond, Licht trinken lassen, sie selbst zum Mond werden lassen. Das muss doch schön sein, diese Helle in sich aufzunehmen und dann innen warm und freundlich zu strahlen und die eigenen dunklen Seiten etwas auszuleuchten, die dabei vielleicht von ihrem Schrecken verlieren, weil sie „bei Lichte betrachtet“ gar nicht so gruselig sind, sondern nur nervtötend über die Jahre.
So heißt schreiben für mich auch träumen und wünschen, mich in fremde Welten wagen und der Neugier folgen. Ähnlich ist es beim Malen, Zeichnen, Collagieren: Was entsteht? Wohin führt mich der Strich, das Muster, der ausgestanzte Kreis in der goldfarbenen Pappe? Ich kann etwas entstehen lassen, ich habe Einfluss – dieses Gefühl und dieses Wissen sind auch „Gold wert“ in einer Zeit, in der die Ohnmacht zu häufig überhandnimmt.
Formgebung, gar glänzend.
Die Frau im Mond
Regentropfen fallen plinkend
auf den Gartentisch und in ihren Tee
die Tasse steht noch von letzter Nacht
Es war so still gewesen und so schwarz
der Mond hatte sich auf der Oberfläche gespiegelt
und sie hatte sein Licht getrunken
Nun schwebt sie rund und unsichtbar
zwischen den Mittagswolken
und wartet auf die kommende Dunkelheit