Wieder einmal steht das Weihnachtsfest bevor – in diesem Pandemiejahr unter komplizierteren Bedingungen. Und diejenigen, die sich um das Fest nicht scheren, fühlen sich aktuell möglicherweise seltsam befreit – keine Weihnachtsmärkte, keine Glühweinbesinnungslosen! Das Jahresende naht, was vielen vermutlich einen Gott-sei-Dank!-Stoßseufzer entlockt. Wie haben wir dieses Jahr erlebt, was schließen wir aus den vergangenen zwölf Monaten – ist der Jahreswechsel 2020/2021 nurmehr eine blasse Erinnerung, als unsere (kleine) Welt scheinbar noch „in Ordnung“ war?

Wann wird ein Ereignis, eine Zeit zu einer Erinnerung? Was macht aus einem Geschehnis eine Erinnerung? Manchmal ist „Erinnerung“ ein späteres Qualitätsmerkmal für einen glücklichen Moment, den wir nicht vergessen haben, manchmal eher etwas Untotes, das uns verfolgt, das an uns klebt wie zähes Pech. Erinnerungen können uns freudig begegnen oder heimtückisch überfallen (je nachdem), wenn wir ahnungslos eine Straße entlanggehen und etwas riechen, hören oder sehen. Wie funktionieren Erinnerungen? Ein spannendes Feld, an das ich mich heute mit Text und Bild wieder einmal annähere.

 

Alternativer Bildtex

Bis auf Weiteres. 2018

Wenn ich groß bin …

Wenn ich groß bin
was fange ich an
mit den Erinnerungen?
Ich habe schon einen ganzen
Karton voll damit
bei jedem Umzug
kommt mir die
Kiste in die Quere

Wenn ich groß bin
mach ich was ich will
stell die Kiste an
die Straße zum Mitnehmen
wer fängt etwas an
mit fremden Erinnerungen?

Wenn ich groß bin
bin ich alt
dann reicht ein Karton
nicht mehr aus
doch ich will nicht anbauen müssen
nur wegen der Erinnerungen

Wenn ich alt bin
fliegen sie alle frei im Raum
wie Wellensittiche
manchmal setzen sie
sich auf meine Schulter
schnäbeln mit mir
manchmal kacken sie
auf die Schrankwand
lassen Federn

Wenn ich alt bin
bin ich dann nur Erinnerungen?
Reibe ich meine müden Knochen ein mit ihnen?
Sind sie meine Medizin – wie meine
Herztabletten?

Wann bin ich alt?