Steigende Temperaturen, lange, helle Tage, die unmerklich in den Abend und die Nacht übergehen. Womöglich kühlt es sich gar nicht mehr ab, und die Nächte sind wie die Tage. Wir erinnern uns an das heiß ersehnte Hitzefrei aus Schulzeiten, an diese geliebte Hitzefreiheit, in der wir überall sein konnten, Hauptsache draußen.

Die Schlaflosigkeit in diesen Nächten gebiert besondere Sommergewächse aus Glut und Fantasie, Gespinste aus wachen Träumen, träumerischer Wachheit. Gut, wenn dann jemand ein bisschen auf uns achtgibt …

Alternativer Bildtex

Durchscheinend. 2017

Sommerkleid

Ich kleide mich
in den Sommer,
schmücke mich
mit Reiherfedern,
gehe auf Cirruswolken
spazieren, schlafe in
einem Flussbett,
bis der Morgentau
mich weckt.

Ich kleide mich
in den Sommer,
löse mich auf im
Himmelsblau –
eine Azuramazone
in wildem Ritt durch
Hochdruckgebiete.

Ich spüre dich auf,
die du nachts nicht
schlafen kannst,
weil es sich einfach
nicht abkühlen will.

Ich spüre dich auf,
du Sommergewächs,
du Nachtkerze,
die du schlaflos am
Küchentisch sitzt
und in das schwüle
Dunkel hinausstarrst,
wo die staubigen Falter
flattern
und die Fledertiere,
wo die Schnecken das
Etikett deines Teebeutels
benagen, weil sie die
Funkie schon genug
gelöchert haben.

Ich kleide dich
in den Sommer,
du Schlaflose,
ich schenke dir einen
Traum und
wache über dich, dass
dich die Schnecken nicht
fressen und auch nicht
die Falter.