Beim Gang über den Wochenmarkt heute am frühen Morgen riefen die Farben nach Aufmerksamkeit. Tulpen in Hülle und Fülle, Ranunkeln, Hyazinthen, Primeln künden vom nahenden Frühling und alles seufzt: „Endlich!“ Da richte ich meinen Blick auch gerne auf das Unscheinbare, das es nicht auf dem Markt zu kaufen gibt: Haben Sie sich schon einmal mit Moosen und Flechten beschäftigt, diesen zähen (Misch-)Pflanzen, die den Winter überdauern, als wenn nichts wär?

Moose gehören zu den ältesten Landpflanzen überhaupt, und die meisten Moosarten können vollständig austrocknen, ohne abzusterben. Keine Sorge, das wird jetzt keine Biologienachhilfestunde – was mich fasziniert ist, mit wie wenig sie auskommen und wie lange sie existieren können. Flechten werden mehrere hundert bis tausend Jahre alt. Und dann lese ich noch, dass es eine Flechtenart gibt, die sich „Totengebeinsflechte“ nennt, weil ihre kleinen Äste wie wettergebleichte Knochen von Vögeln oder Kleinsäugern aussehen. Da tut sich eine faszinierende Welt auf in dieser vermeintlichen Unscheinbarkeit, was mich wieder zu der ewigen Litanei bringt, sich auch den Blick für die kleinen Dinge zu bewahren. Ist das Weltflucht – sich angesichts dessen, was um uns herum an Bedrohlichem passiert, mit Flechten und Moosen zu beschäftigen? Es geht um den Sinn für die Vielfalt und darum, uns immer wieder bewusst zu machen, was wir zu verlieren haben und was wir im Begriff sind zu zerstören. Sich dann mal einzufühlen in Flechten und Moose könnte da vielleicht hilfreich sein. Probieren Sie es aus!

Alternativer Bildtex

Herzgeflecht.

Im Moose

die Glockentöne schmilzen in der Ferne
der Wiesenpfad liegt still im Licht
du tauchst in das sanfte Grün

das dich einlädt in sein
Moosbett die Milde zu atmen
dem Himmel zugewandt

die Glockentöne schmilzen in der Ferne
deine Haut schimmert grasgrün
du flichtst dir Flechten ins Haar