Wie die Natur sich zurückzieht, mögen auch wir uns zurückziehen in dieser gerade so unwirtlichen Herbst- und Winterzeit. Und wenn wir dann mehr oder weniger müßig Innenschau halten, spricht etwas zu uns? Finden wir die passenden Wörter, uns auszudrücken? Es gibt Situationen, da herrscht das Schweigen im Walde. Ich sitze vor einem leeren Blatt Papier – doch es kommt nichts aus mir heraus. Schreibgeschulte wissen, dass sie dann am besten genau darüber schreiben: dass da nichts kommt, dass da gerade Ebbe herrscht im Wortmeer – und schon spüren sie die Flut wieder steigen, haben sich selbst überlistet, die Assoziationskette hat endlich ihren Anfang gefunden und sie können ihr vertrauensvoll und neugierig folgen.

Manchmal mag es aber auch helfen, die Situation so zu nehmen, wie sie ist – die Ebbe auszuhalten, das leere Blatt ein leeres Blatt sein zu lassen und lieber einen wintermanteligen Spaziergang zu machen. Dann haben die Wörter noch ein bisschen Pause, bis sie irgendwann sich entschließen, zu Worten zu werden, die aus uns herauskommen, sprechender- oder schreibenderweise. So dürfen wir sie wieder üben – die Geduld.

Alternativer Bildtex

Auf Worte warten. o. J.

ich spreche nicht

ich spreche nicht
die wörter in mir ruhen noch
sie sind müde heute morgen
wie kleine schulkinder
die nicht aufstehen mögen
denn es ist kalt draußen und nieselt
und in der ersten stunde mathematik

ich spreche nicht
ich bin die mutter meiner wörter
ich lasse sie schlafen
noch ein bisschen
und schreibe ihnen derweil
eine entschuldigung