Mir fällt nichts ein

Mir fällt nichts ein. Den eigentlichen Termin für den nächsten Blogbeitrag in der vorletzten Woche habe ich verstreichen lassen, weil ich keine Idee hatte, worüber ich schreiben könnte. Zu viel Arbeit in diesen Wochen, zu wenig Muße, der Kopf zu vollgequetscht mit allem Möglichen, dass da offenbar kein Raum ist, damit sich etwas entwickeln kann, sich Lust entwickelt aufs Fantasieren, Philosophieren oder einfach auf die Leere und die „Empfangsbereitschaft“. Erst heute Morgen beim Gang von einem Zimmer ins andere kam der Gedanke, der jetzt gerade den Knoten zum Platzen bringt: Dann schreib halt darüber, dass dir nichts einfällt.

So einfach ist das manchmal und doch so schwer. Dabei ist das eine Empfehlung, die zu jedem Schreibseminar, zu jedem freien Schreiben dazugehört: Wenn dir nichts einfällt, schreib, dass dir nichts einfällt. Wenn du ins Stocken gerätst, schreib: „Ich gerate ins Stocken, nichts will fließen heute, ich bin völlig ideenlos“ etc. – und schon stehen da Wörter auf dem Papier, geht es irgendwie weiter, folgt eine Assoziation der nächsten und wir kommen (wieder) in den Schreibfluss. Mut zur Lücke, Mut, das zu sagen, was es gerade zu sagen gibt, Mut, zu sagen: Es gibt gerade nichts zu sagen.

Wer sich mit Blogs und Social Media beschäftigt, verspürt vermutlich immer einen gewissen Druck, dass nicht zu viel Zeit verstreichen darf zwischen den einzelnen Posts und Beiträgen, sonst geraten wir womöglich in Vergessenheit, müssen uns wieder hinten anstellen und dürfen nicht mehr vorne mitspielen (wenn wir überhaupt schon so weit gekommen waren). Manche brauchen einen gewissen Druck, um produktiv sein zu können, mein Gehirn schaltet eher auf stur, wenn der Druck zu groß wird. Manche sind gut organisiert und erstellen ihre Texte und Posts im Voraus – denen passiert es dann wahrscheinlich nicht, dass sie vor dem leeren Bildschirm sitzen oder beim Frühstück stumm in ihren Tee gucken mit dem miesen Gefühl „Mir fällt nichts ein“. Ich will mir ja auch den Spaß an der Sache nicht verderben, also nutzt es nichts, mich künstlich unter Druck zu setzen oder zwangsweise irgendetwas auf Halde zu produzieren – jedenfalls ist das bisher nicht mein Verfahren beim Blogschreiben.

Umso größer ist die Erleichterung, wenn der innerliche Stau sich irgendwann auflöst. So wie heute Morgen: Endlich kommt mir der rettende Gedanke und nun sitze ich hier und schreibe, obwohl meine To-do-Liste was ganz anderes sagt. Ich bin also sozusagen auf einen vorbeischwimmenden (Gedanken-)Baumstamm gesprungen und nun gleite ich den Fluss hinunter in einem netten Tempo, freu mich an der Gegend, durch die ich komme, und bin gespannt, wo ich landen werde. Mir fällt nichts ein? Irgendwann dann doch. Also: „empfangsbereit“ bleiben und nicht aufgeben!

Alternativer Bildtex

Was ist drin im Kopf?

Sperrig

So viele Wörter gibt es
doch heute habe ich keine Idee
wie ich sie aneinanderreihe
miteinander verbinde
dass sie Sinn ergeben
sich wohlfühlen wo sie sind

Wörter werden nicht gefragt
ob sie so oder anders
auf dem Papier stehen möchten
vielleicht möchten sie heute gar nicht

Vielleicht möchte das Vielleicht
heute nicht gestört werden und
nun steht es schon drei Mal hier und
muss sich lesen lassen
jegliche Privatsphäre ist dahin
als stünde es dauernd zur Verfügung

Nimm doch ein Synonym, sagt es
nimm doch womöglich oder eventuell
womöglich möchte aber Eventuell
heute auch nicht aus dem Haus

So sperrig seid ihr manchmal
ihr vermaledeiten Wörter
kein Wunder, dass mir nichts einfällt
was ich mit euch tun könnte
vielleicht womöglich eventuell probiere
ich es morgen noch einmal

Geschenkte Zeit

Durch den Warnstreik des RVM bekam ich diese Woche unerwartet Zeit geschenkt, weil ich – ohne Bus – einen Auswärtstermin nicht wahrnehmen konnte. So hatte ich Muße, auf den Wochenmarkt zu gehen und erste Frühlingsboten in Form von Tulpen und Hyazinthen zu kaufen.

Zeit kann wirklich ein Geschenk sein, ein Geschenk, das wir uns auch selbst machen können, immer wenn wir innehalten. Ich nehme gerade an einem Achtsamkeitskurs teil (Mindfulness-based Stress Reduction, MBSR, was vielen sicherlich ein Begriff ist, Jon Kabat-Zinn und so), und da geht es viel darum, aus dem ewigen Gedankenkarussell auszusteigen, zumindest für einen Moment, um ganz im viel beschworenen Hier und Jetzt zu sein. Zum Teil empfinde ich das als richtig schwierig und auch anstrengend, mir immer wieder bewusst zu werden, wo mein Geist gerade herumschwirrt (Vergangenheit, Zukunft …), und mich dann möglichst „freundlich, entschieden und geduldig“ wieder zum Atem zurückzuholen. Mein Körper als „Achtsamkeitsinstrument“. Viele interessante Dinge erfahre ich da in diesem Acht-Wochen-Kurs und bedaure, dass er schon dem Ende zugeht.

Neulich fühlte ich mich auch im Schreiben ganz im gegenwärtigen Augenblick, die Sonne schien so schön durchs Fenster und ich hatte den Impuls, einfach nur aufzuschreiben, was ich sehe und empfinde (das ist unten zu lesen). Oft beginne ich mein Schreiben so, dass ich erst mal notiere, welcher Tag es ist und welche Uhrzeit, wo ich bin, was ich sehe. Ich ver_orte mich in Raum und Zeit sozusagen, nehme einen Platz ein, von dem aus ich gedanklich weitergehen kann.
Die Tätigkeit des Schreibens mit der Hand kann eine wunderbar achtsame Übung sein, sicherlich vor allem auch das kalligrafische Schreiben, weil es meist in Ruhe geschieht und eine gewisse Konzentration erfordert. Der (freien) Kalligrafie habe ich mich schon länger nicht mehr gewidmet – so viele interessante Dinge gäbe es zu tun! Und schon purzeln die Gedanken und Ideen wieder wild durcheinander, alle wollen ganz unbedingt beachtet werden. Puh, da versuchen wir, entspannt zu bleiben und erst mal zu atmen: ein und aus und ein und …

Alternativer Bildtex

Pünktchen und Blättchen und Pünktchen und Blättchen …

Still_leben

Die Morgensonne fällt durch die Ritzen des Rollos
ohne Brille ist da eine schöne Verschwommenheit
in der du dich aufhältst für einen Moment um
nicht klar sehen zu müssen

Die 60er-Jahre-Schreibmaschine mit den blaugrünen Hochstelltasten
das schwarze Bakelittelefon
die pastellige Lithografie auf dem Sideboard
daneben ein einfaches Wasserglas mit rosa-weißen Rosen

Ein Stillleben, das dir tatsächlich Stille vermittelt
deinen grübelnden Geist beruhigt beim Anblick
dieses unbewegten So-Seins

Du wirst noch ein wenig verweilen in der
Verschwommenheit des Moments und
die Schatten beim Weiterziehen beobachten

Es gibt nichts zu tun und nichts zu erreichen –
so heißt es in der Meditation

Natürliche und künstliche Intelligenz

Langsam, aber ganz sicher hält die künstliche Intelligenz (KI) auch Einzug in den Bereich, in dem ich mein Geld verdiene: das Lektorat und das Korrektorat. Es ist verblüffend, mit welcher Geschwindigkeit sie Sätze von sich gibt, (vermeintliche) Fehler anzeigt und sich Unsinnigkeiten ausdenkt, wenn ihr die Informationen fehlen. Sie kann nicht schweigen, wenn sie gefragt wird, sie muss sofort antworten um jeden Preis, auch wenn sie dazu „halluzinieren“ muss, wie es heißt.

Und dann schaue ich mich an: Es gibt Tage, da mögen die Wörter aus mir herausfließen, Wohlklänge und Wendungen, die mich überraschen. Und dann gibt es Tage, da will nichts fließen, ich fühle mich „verstopft“ im Gehirn und in der Intuition, in der Imagination – oder woher immer die Wörter kommen. Ist da zu viel oder ist da womöglich gähnende Leere? Dann gehe ich spazieren oder schüttle mich mal durch, besuche ein Café, ein Museum oder einen anderen Menschen. Damit öffne ich mich, trete aus der Stagnation heraus und gucke mal, was mir so begegnet. Irgendwann ist es dann wieder so weit: Ich schreibe ein Wort aufs weiße Blatt und ein weiteres gesellt sich dazu und noch eines. Eine KI wird jetzt in Windeseile Wahrscheinlichkeiten errechnen, welches Wort das nächste ist, doch ich – mit meiner natürlichen Intelligenz – setze schwarz auf weiß nach und nach Buchstaben für Buchstaben, lasse den Cursor blinken oder den Stift in der Luft innehalten bis zum nächsten Impuls. Ich bin eindeutig langsamer als die KI, stehe zwischendurch auf und koche mir einen Tee, seufze, esse einen Keks und bitte die Göttin der Wörter, mir doch noch ein paar zu schicken, damit es weitergeht.

Warum lasse ich nicht die KI für mich fantasieren?
Weil ich dann nicht dieses schöne Gefühl des Schöpferischen haben könnte, diese Neugier während des Entstehungsprozesses – wohin führt mich mein Text, wohin mein Bild? Mit der KI zu arbeiten, ist vor allem die Erwartung von schnellen Ergebnissen – kreativ zu schreiben oder zu zeichnen, zu malen, zu collagieren, ist die Lust am Tun, die Lust am Experimentieren und auch die „Lust“ am Umgang mit der eigenen Unzufriedenheit, wenn etwas nicht (gleich) gelingen will. Schauen, warten, probieren, liegen lassen, wieder aufgreifen, in mir arbeiten lassen, während ich etwas anderes tue oder gar nichts – der kreative Prozess ist so vielfältig, auch wenn nach außen hin kaum etwas passieren mag. Das möchte ich mir bewahren und noch mehr kultivieren.

PS: Die KI ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Und noch wird behauptet, sie könne die menschliche Kreativität nicht ersetzen. Da schau’n wir mal und lieben unser gestalterisches Tun umso mehr!

Alternativer Bildtex

Just do it!

Dichten
ist das
die Fantasie anstrengen
sich bemühen um besondere Bilder
oder ist das
am Morgen aus dem Fenster schauen
und beim Vogelflug denken:
Nehmt mich mit?

Wo bin ich zu Haus?

Kann ich in etwas zu Hause sein, was kein Haus ist? Und auch keine Wohnung? Ich bin ein ziemlich sesshafter Mensch, lebe schon über vierzig Jahre in derselben Stadt, und dennoch finde ich es schwierig, mich irgendwo tatsächlich „zu Hause“ zu fühlen. Was ist das für ein Gefühl: zu Hause? Vermutlich ein Gefühl von Sicherheit und von Privatheit: Die Außenwelt darf dann auch außen bleiben und mich mal in Ruhe lassen. Geborgenheit gehört sicher ebenfalls in diese Kategorie – von ihr verstehe ich nicht so viel.

Aber ich kann mich im Schreiben geborgen fühlen und im Malen – in diesen Momenten, in denen nur die Gegenwart zählt. Wahrscheinlich fühle ich mich im Schreiben noch „zu Hausener“ als im Malen, weil es mir leichter von der Hand geht und noch mehr ein inneres Bedürfnis ist, jeden Tag wieder sozusagen. Oft habe ich das Gefühl, dass das Schreiben mich zusammenhält, und das ist doch wunderbar, etwas gefunden zu haben, was „Medikament“ (lat. medicari = heilen) ist und gleichzeitig neue Welten eröffnet, die Fantasie beflügelt, rote Fäden spinnt und Knoten löst.

In dem folgenden sogenannten Zevenaar, einer siebenzeiligen, in bestimmter Weise aufgebauten Gedichtform (die sich googeln lässt, wer’s genauer wissen will), habe ich das Schreiben und Malen miteinander verbunden. Vielleicht ist das auch ein schöner Ausblick auf das neue Jahr, das ja gerade noch nicht so alt ist: Farben, Welten, Worte …

Alternativer Bildtex

Traumwelt.

Zwischen all meinen Farben
fühle ich mich zu Haus.
Welche Welten kann ich erschaffen?
Blumen, Vögel, Ur-Wälder –
Eintauchen in Blau und Orange.
All meine Farben
schaffen mir ein Zuhaus.

Jahresendüberlegungen

Dezember – ein Monat voller Emotionen und freudiger Erwartungen und Trubel: Dinge abschließen, schon Gedanken aufs Neue verwenden hin und wieder, das Grau ertragen und sich an Lichterketten entlanghangeln, Feiertagspläne schmieden, wer mit wem wann und wo – und was gibt’s zu essen?

Die Hälfte des Monats war ich mit einer Erkältung mehr oder weniger aus dem Verkehr gezogen und die Sehnsucht nach Ruhe und Pause und Schluss mit Terminkalender war und ist groß.
Ich erfuhr in diesen Wochen von sterbenskranken und verstorbenen Müttern, von Liebe und großen Reisen. Erfuhr auch von kleinen Dingen und den glänzenden Kinderaugen zu Nikolaus. Erfuhr von Hauseinbrüchen und dass die silbrig blauen Eukalyptusknospen, die ich mir so nett in der Vase vorstellte, doch einen für mich zu unangenehmen Duft erzeugen (sie müssen nun leider draußen bleiben). Die Vielfalt des Lebens also zwischen verstopfter Nase und der täglichen Sehnsucht nach mehr Licht.

In einem geschenkten Adventsbüchlein erhielt ich die Schreibanregung, zu einem Verb aus einem bestimmten Text zu schreiben. Und ich schaute, welche „Tuwörter“ gibt es denn da, und wählte das, das mich am meisten ansprach: „spüren“. Mit einem ü wie in „süß“ oder „Krüsanteme“ (?!) und der Spur, einem Anfang, dem ich folgen kann und der mich irgendwohin führt (mit ü). So habe ich mich also auf die Spur des Spürens gemacht, das Ergebnis ist unten nachzulesen. Und wenn in diesen Tagen so eine innere und äußere Aufruhr herrscht vor lauter Vorbereitungen und Dingen, die vermeintlich schnell noch vor Jahresende getan werden müssen, sind das kurze Innehalten und das Spüren, wie der eigene Atem geht und ob das eigene Herz überhaupt noch schlägt, vielleicht ein guter Ratgeber. Worauf freust du dich? Und da wir sicherlich ganz viel an andere gedacht haben in den letzten Wochen: Womit kannst du dir selbst eine Freude bereiten in diesen Tagen?

Ich wünsche allen meinen Leser*innen eine gute Zeit und melde mich wieder im neuen Jahr.

Alternativer Bildtex

Helldunkelvariation.

Spüren

Spürst du den Winter, grau und nass
spürst du die Nacht, schwarz und kalt
spürst du das Licht, dass wenig besser ist als nichts

Spürst du, wie dein Herz schlägt in tiefer Dunkelheit,
wenn du nicht schlafen kannst,
weil deine Ohren noch zu viel hören
spürst du den Schleim in deiner Kehle,
die letzten Reste deiner Krankheit auf dem Weg zur Genesung

Spürst du die Nacht, die sich auf deine unruhige Haut legt
spürst du das Licht, wie es flackert im letzten Atemhauch eines geliebten Menschen
spürst du die Kälte dann und die Trauertränenhitze

Die Amaryllis auf dem Küchentisch
sie öffnet ihre weißen Kelche in dem mageren Licht und der künstlichen Wärme

Spürst du die Liebe trotz allem